Rezension „Helvetia“

Helvetia (Kosmos)

Erstmals gespielt hatte ich Helvetia auf der Messe in Stuttgart im Herbst 2011. Zwischenzeitlich habe ich schon einige Partien hinter mir, so dass jetzt endlich die Rezension ansteht. In Stuttgart damals empfand ich das Spiel anfangs sehr interessant, doch im weiteren Verlauf wurde es etwas zäh und mühsam. Damals dachte ich, es läge vielleicht an der Messesituation (also den ganzen Tag schon herumgerannt, viele Spiele angeschaut, etc.), doch nach den weiteren Partien wiederholte sich dieser Eindruck immer wieder. Die Spieldauer auf der Box ist mit 60-90 Minuten angegeben. In keiner der bisher gespielten Partien konnten wir die Obergrenze diese Spanne annähernd einhalten… meistens ging es deutlich länger, so dass man später immer das Gefühl bekam, das ist eher Arbeit als Spiel :-/ Trotzdem schauen wir uns das Spiel mal genauer an.

In der typischen quadratischen Box von Kosmos findet man einen kleinen Spielplan, 5 Dorfmitte-Plättchen, 54 Gebäudeplättchen, 24 Holz-Münzen, 68 Liefersteine, 10 Güterplättchen, 6 Sonderplättchen, 64 Spielfiguren in männlicher und weiblicher Ausführung und nen Aufkleberbogen, um die Unterseite der Figuren mit dem Kind-Symbol zu markieren. Die Spielanleitung umfasst 8 Seiten, so dass die Anfangshürde nicht besonders hoch sein dürfte. Die Grafik des Materials (Spielplan, Gebäude, etc.) gefällt mir eigentlich überaus gut. Auch die Tatsache, dass viel Holzmaterial vorhanden ist, ist nicht zu verachten. Trotzdem gebe ich Helvetia in der Spielmaterial-Wertung „nur“ eine „4“, denn zwei Sachen nerven so sehr, dass der Spielfluss dadurch erheblich gestört wird. Zum einen kann man Männchen und Weibchen bei den Figuren nicht besonders gut auseinander halten. Zwischenzeitlich gibt es wohl Aufkleberbogen, mit denen man den Männern den Hut schwarz „färben“ kann, so dass die Unterscheidung einfacher ist. Im Zweifel kann man sich auch mit nem schwarzen Edding helfen und ne dünne Schicht Klarlack drüber klatschen, doch wenn ich n Spiel kaufe, möchte ich Spielen und nicht noch n Nachmittag lang Bastelarbeiten durchführen (von dem Auspöppeln des ganzen Materials natürlich abgesehen). Der zweite Punkt ist die Größe der Figuren im Verhältnis zu den Gebäudeplättchen. Die Figuren sind recht groß und neben ne große Standfläche ein, so dass man dann die Gebäude und deren Symbole nicht mehr gut erkennen kann… das nervt 🙂

Der Spielplan kommt in die Tischmitte. Jeder Spieler erhält die Materialien in seiner Farbe. Einer der Liefersteine dient als Punkteanzeiger und kommt auf das Feld „0“ der Punkteleiste. Dann erhält jeder Spieler noch eine Dorfmitte. Um dieses rechteckige Plättchen baut der Spieler im Verlauf des Spiels seine Gebäude an. Die Dorfmitte bietet also standardmäßig Platz für 10 Gebäude. Doch im weiteren Verlauf kann man dann Gebäude auch in zweiter Reihe bauen. Vor dem Spiel werden noch drei Paare wie in der Anleitung vorgegeben platziert. Dabei werden eigene Figuren auch in fremde Dörfer gesetzt, sie werden also quasi dorthin „verheiratet“. Der Vorteil ist dann, dass der Spieler später auch die Funktion dieses Gebäudes nutzen kann. Von den Münzen, mit denen die Spieler später ihre Persönlichkeiten auswählen, besitzt man anfangs 4 Stück. Im Spielverlauf kann man noch welche dazu bekommen.

Das Spiel verläuft über viele Runden und zwar so lange, bis ein Spieler mindestens 20 Punkte vorweisen kann. Bei jeder Spielrunde setzen die Spieler erst einmal reihum ihre Münzen auf die Persönlichkeiten, die auf dem Spielplan zu sehen sind. Jede Persönlichkeit erlaubt es, bestimmte Aktionen auszuführen. Man darf dabei auch mehrere Münzen auf eine Persönlichkeit einsetzen. So erlaubt der Baumeister, neue Gebäude zu errichten; der Fuhrmann erlaubt es, Güter in die Stadt zu liefern; der Nachtwächter erlaubt es, schlafende Dorfbewohner wieder zu wecken (immer wenn eine Figur genutzt wurde, dann wird die Figur gekippt und kann erst wieder genutzt werden, nachdem sie wieder geweckt wurde); der Pfarrer erlaubt es, ungenutzte Dorfbewohner mit Figuren der Mitspieler in dessen Dorf zu verheiraten (gleichgeschlechtliche Paare sind hierbei nicht erlaubt); die Hebamme bringt Nachwuchs ins Spiel (neue Figuren kommen erst „hochkannt“ gestellt, als Baby auf das Gebäudefeld des Paares, dann in die Schule und später auf die Dorfmitte… Halbwüchsige können aber direkt aus der Schule heraus verheiratet werden… so war das halt mal *ggg*). Sobald nur noch einer der Spieler Münzen übrig hat, endet diese Runde. Wer die Mehrheit an Münzen bei einer Persönlichkeit vorweisen kann, der erhält das Personenplättchen, welches dem Spieler einen besonderen Vorteil bietet. Im späteren Verlauf des Spiels wechseln diese Plättchen immer wieder ihren Besitzer.

Wie schon erwähnt, nutzt man ein Gebäude, in dem man die Figur, die darauf steht, zu kippen… so bringt einem der Holzfäller eine Holzeinheit oder der Getreidehof eine Getreideeinheit. Die Getreideeinheit kann man z.B. als Futter für ne Kuh verwenden und die Kuh kann man dann in der Metzgerei zu Fleisch verarbeiten. So gibt es also im Spiel verschiedene Produktionszweige, die man nutzen kann. Liefert man die verschiedenen Waren der unterschiedlichen Produktionsstufen, platziert man die Liefersteine auf die entsprechenden Felder… Siegpunkte warten auf die Spieler.

Also, man nutzt die verschiedenen Persönlichkeiten des Dorfes bzw. deren Aktionsmöglichkeiten, baut sein Dorf mit brauchbaren Gebäuden aus, verheiratet geschickt seine Figuren in andere Dörfer, um diese Gebäude mit nutzen zu können, um so verschieden Produktionsketten aufzubauen. Nach jeder Runde werden die aktuellen Siegpunkte auf der Siegpunkteleiste angepasst, so dass man einen Überblick über den aktuellen Stand hat. Sobald ein Spieler 20 oder mehr Punkte hat, endet das Spiel und dieser Spieler bzw. der Spieler, der am weitesten vorne ist, gewinnt das Spiel.

Was mir wirklich gut gefällt, ist die thematische Umsetzung bei Helvetia. Die Grafik ist stimmig. Die Möglichkeit, seine Figuren in andere Dörfer zu verheiraten, ist interessant, macht das Spiel aber im weiteren Verlauf sehr unübersichtlich, speziell auch, weil die großen Figuren eben die Symbole der Gebäude verdecken (wie eingangs schon erwähnt). Einen bestimmten Charakter auszuwählen, um dessen Aktionen zu nutzen, das kennt man ja auch schon von vielen anderen Spielen. Trotzdem wirkt das Ganze in den ersten Runden recht rund, spaßig und eingängig, verliert dann aber leider deutlich an Spielspaß, da es sich eben ziemlich zieht und fast schon in Arbeit ausartet…. und das war wirklich in jeder Partie bei uns so.

Fazit: wir wohnen ja ziemlich in Grenznähe zur Schweiz und ich komme mit den Schweizern auch gut  klar, doch mit Helvetia kann ich mich nicht wirklich anfreunden.

(c)2013 Dirk Trefzger

Material

Regeln

Idee

Spielreiz

Wir danken Kosmos für die Zusendung eines Rezensionsexemplares!

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