Rezension “London”

London (Treefrog Games)

Liest man, dass Martin Wallace der Autor ist, dann erwartet man mit “London” ein echtes Schwergewicht (z.B. Brass), denn anders kann es bei Wallace fast nicht sein 😉 Doch “London” überrascht mit recht einfachen Regeln und trotzdem sehr komplexen Spielverlauf. Diese Kombination ist natürlich sehr reizvoll und bedarf einem genaueren Blick 🙂

Die recht schlanke Box verbirgt einen Spielplan, der das Stadtgebiet Londons zeigt. Im unteren Drittel des Plans gibt es dann noch 10 Felder für die Kartenablage. Je nach Spieleranzahl  stehen begrenzte Felder zur Verfügung. Bei zwei Spielern sind es 2 x 3 Felder. Bei vier Spielern werden 2 x 5 Felder (also alle) verwendet. Für jeden Spieler gibt es einen Satz Gebäudeplättchen in seiner Farbe. Dann gibt es 10 U-Bahn-Plättchen, verschiedene Kreditkärtchen, Siegpunkteplättchen in verschiedener Stückelung, schwarze Armutsmarker aus Holz (kleine Würfelchen für einen Armutsmarker, Scheiben für 5 Armutspunkte), Geldmünzen aus Plastik sowie das Hauptelement: 110 Spielkarten. Das Anleitungsheft (ca. 11 Seiten Anleitungstext) liegt in drei Sprachen vor. 

Jeder Spieler besitzt ja seinen Satz Gebäudeplättchen. Anfangs bekommt er dann noch 5 Pfund als Startkapital und er muss auch bereits 5 Armutspunkte in Kauf nehmen. Die Spielkarten sind in drei Bereiche unterteilt (A, B und C). Jeder Bereich wird in sich gemischt. Dann wird aus den drei Bereichen ein Gesamtstapel gebildet. Von diesem Stapel erhalten die Spieler nun sechs Karten als Starthand. Dann wird gestartet.

Der aktive Spieler nimmt sich eine Karte und muss anschließend eine der folgenden Aktionen ausführen:

(1) Karten spielen: Manche Karten werden ausgespielt und direkt aus dem Spiel genommen, doch die meisten Karten werden in die Gebäudeauslage des Spielers gebaut. Die Karten der Auslage werden nebeneinander gelegt. Es bilden somit Stapel. Bereits ausliegende Karten können aber auch überbaut werden. Das Ausspielen einer Karte kostet ggfs. noch Pfund, die man an die Bank bezahlen muss. Dazu muss man i.d.R. eine Karte der gleichen Farbe ablegen. Eine solche Karte wird aber nicht ganz aus dem Spiel genommen, sondern auf den Spielplan gelegt.

(2) Die Stadt regieren (Karten aktivieren): Hier können also die Karten, die man vor sich “gebaut” hat, aktivieren. Die Reihenfolge der Aktivierungen entscheidet dabei der Spieler. Er kann also z.B. erst eine Karte aktivieren, die neue “Kohle” bringt, die er dann ggfs. bei einer anderen Karte nutzen kann, falls die Aktivierung dort Geld erfordert. Am unteren Rand der Karten ist angegeben, was es kostet, die Karte zu aktivieren (z.B. wieder eine Karte ablegen, Pfund bezahlen, ggfs. auch nichts weiteres), was die Aktivierung bringt (Geld, Siegpunkte, Abgabe von Armutsmarker, usw.) und was mit der Karte passiert, wenn sie aktiviert wurde. Meist wird eine aktivierte Karte auf die Rückseite gedreht. Manche Karten bleiben einfach liegen. Manche Karten erlauben es auch, eine Karte nicht umzudrehen und statt dessen eben diese Karte umzudrehen…. es gibt einfach unzählige Möglichkeiten… das muss als Info reichen 😉

(3) Land kaufen: Beginnend von den drei zentralen Gebieten des Plans kauft man sich Gebiete und legt ein Plättchen drauf. Auf dem Plan ist angegeben, was der Kauf dieses Gebiets kostet, wie viele Karten man dann ziehen darf bzw. muss und wie viele Siegpunkte das Gebiet am Ende des Spiels einbringt.

(4) Drei Karten nehmen: der Spieler nimmt drei Karten und das war es dann schon.

Wichtig zum Thema “Karten nehmen” ist, die Tatsache, dass man entweder verdeckt vom Stapel ziehen darf oder aber auch eine Karte der Auslage nehmen kann. Diese Auslage entsteht ja dadurch, dass man selbst oder auch die anderen Spieler immer wieder Karten ablegen müssen. Hier muss man sich oft entscheiden, welche wertvolle Karte man ablegen möchte (denn eigentlich möchte man das oftmals nicht *ggg*).

Armutsmarker: immer am Ende der Aktion “Stadt regieren” muss man die ausliegenden Kartenstapel zählen, die Handkarten dazu addieren und dann die Anzahl der Stadtgebiete, die man besitzt, abziehen. Der so errechnete Wert gibt an, wie viele Armutsmarker der Spieler nehmen muss. Bei Minuswerten kann er auch Marker abgeben. Hier wird also klar, dass man ziemlich viele Marker nehmen muss, wenn man gleich zu Beginn viele Stapel auslegt, ohne dass man bereits Gebiete gekauft hat. Außerdem sollte man eben darauf achten, dass man nicht zu viele Handkarten hat, nach der genannten Aktion.

Reihum führen also die Spieler ihre Aktionen durch. Sobald der Kartenstapel aufgebraucht ist, sind die anderen Spieler noch einmal an der Reihe. Anschließend werden noch Siegpunkte verteilt für verschiedene Bereiche. Wer dann die meisten Punkte hat, gewinnt “London”.

Kredite aufnehmen: das zur Verfügung stehende Geld ist oftmals knapp. Jederzeit kann der Spieler einen Kredit von der Bank aufnehmen. Er bekommt dann ein Kreditkärtchen und 10 Pfund. Am Ende des Spiels muss er für jedes Kreditkärtchen 15 Pfund (satter Zinssatz also) bezahlen. Kann er das nicht, muss er jeweils sieben Siegpunkte abgeben.

Bei der Auswertung am Ende des Spiels müssen die Spieler also erst einmal ihre Kredit zurückbezahlen. Dann muss jeder Spieler jeweils einen Armutsmarker für übrige Handkarten nehmen. Für jeweils 3 Pfund Münzen bekommt man noch einen Siegpunkt; dann bekommt man Siegpunkte für die Gebiete des Spielplans. Anschließend werden die Siegpunkte der gesamten Gebäudeauslage gezählt. Die Karten, die der Spieler vor sich ausgelegt hat, zeigen oftmals Siegpunkte (aber nicht alle). Nun werden noch die Armutsmarker verglichen. Der Spieler mit den wenigsten Markern ist dabei das Maß der Dinge. Er gibt seine Marker ab. Alle anderen Spieler geben ebenso viele Marker ab. Für übrige Marker müssen die Spieler nun Siegpunkte abgeben, was ganz schön auf die Punkte gehen kann. Auf dem Spielplan ist eine Skala angegeben. Bei 10 Armutsmarker muss man z.B. 15 Siegpunkte abgeben. Nun werden die Siegpunkte verglichen.

Ich habe mittlerweile schon viele Runden in unterschiedlicher Besetzung hinter mir und ich muss sagen, dass ich sehr überrascht war von dem Spiel. Ich lege sehr viel Wert auf eine schöne Aufmachung. “London” kommt das ziemlich nüchtern daher. Der Spielplan ist maximal als zweckmäßig zu bezeichnen. Die Gestaltung der Karten geht in Ordnung. Als Spielgeld liegen Plastikchips bei und als Gebäude sind es nur einfache Kartonplättchen. Auch hier hätte man ruhig etwas Holzmaterial anbieten können, wie bei den Armutsmarkern. Es gibt wohl noch eine limitierte Version des Spiels, die dann Holzhäuschen hat und Holzscheiben als Spielgeld. Da das Spiel nicht wirklich günstig ist, hätte man das m.E. auch direkt schon beilegen können. Nichtsdestotrotz ist “London” ein sehr gelungenes und trotz der einfachen Regeln sehr komplexes Spiel, welches ein paar Partien benötigt, bis es richtig in Fahrt kommt. Klar, im Kern ist es eigentlich ein Kartenspiel, doch ein sehr gutes Kartenspiel… möchte ich anmerken 🙂

In den vergangenen Partien habe ich unterschiedliche Strategien ausprobiert. Mal habe ich 4 Kredite nicht zurückbezahlt, habe aber statt dessen so massiv die Armutsmarker abgebaut, dass die Mitspieler mehr Minuspunkte durch die Armutsmarker kassieren mussten als ich für die nicht bezahlten Kredite bekommen habe… ein anderes Mal habe ich Wert darauf gelegt, alle Kredite zurückzubezahlen. Durch die vielen verschiedenen Karten kann man immer wieder neue Möglichkeiten austesten, ohne, dass “London” langweilig wird… zumindest ist es bei uns bisher der Fall 🙂

Was man noch anmerken muss ist die Tatsache, dass die Kartentexte in englischer Sprache gehalten sind. Allerdings beinhaltet ja die Spielanleitung die Übersetzung. Die Texte sind aber recht einfach gehalten und viele der Funktionen sind ja durch Symbole erklärt. Also, auch Spieler, die nicht so gut englisch können, sollten keine Angst vor dem Spiel haben… nach einigen Partien merkt man das gar nicht mehr.

Anfangs fällt die Downtime (also die Wartezeit, bis man wieder an der Reihe ist) sicherlich etwas lang aus, da man sich erst einmal an die verschiedenen Karten gewöhnen muss. Speziell bei vier Spielern könnte das dann etwas nervig werden. Speziell wenn Grübler am Tisch sitzen, die das Ganze dann noch übermäßig ausdehnen. Mit der Zeit geht das aber.

Fazit: anspruchsvolles Strategiespiel  als “Fast”-Kartenspiel… etwas Einarbeitungszeit ist notwendig, was sich aber definitiv lohnt … Grübler sollten vom Tisch verbannt werden 🙂 … viel Spaß beim Ausprobieren 🙂

 (c)2012 Dirk Trefzger

Material

Regeln

Idee

Spielreiz

Wir danken Asmodee für die Zusendung eines Rezensionsexemplares!

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