Rezension “Murano”

Murano (Lookout Spiele)
 

Ich habe noch nie einen überteuerten Espresso auf dem Markusplatz in Venedig genossen. Trotzdem war mir “Murano” ein Begriff als Inselgruppe nordöstlich von Venedig, bekannt für ihre Glasbläserkunst. TV sei Dank. 🙂 … genau diese Inseln sind Namensgeber für das neue Spiel von Inka und Markus Brand, deren Spiel “Village” aus dem Jahr 2011 ich wirklich genial finde. Um so gespannter war ich auf ihr neues Spiel “Murano”, welches dieses Jahr bei Lookout erschienen ist.

In der Box findet man einen großen Spielplan, der die Inselgruppe von “Murano” zeigt. Am Rand führt die Punkteleiste herum. Zwischen der Punkteleiste und der Inselgruppe sind Aktionen abgebildet, die man später mit kleinen Holzschiffen auswählen wird. Auf den Inseln findet man Felder, auf denen man Straßen bauen oder Gebäude errichten kann. Diese Straßen und die Gebäude werden durch quadratische Plättchen dargestellt. Dann gibt es noch 40 Charakterkarten und 15 Sondergebäude-Karten, ein Beutel für die 30 farbigen Glassteine, 32 Gondolieri, 60 Markierungssteine und eben die 8 Schiffe aus Holz, Münzen aus Stanzkarton. Die Spielanleitung umfasst 12 Seiten. Der Hauptteil der Regeln wird auf den ersten sieben Seiten abgehandelt. Danach findet man noch Hinweise zu den verschiedenen Karten. Die gute Anleitung lässt einen schnellen Einstieg zu. Die Qualität des Materials ist gut, auch wenn die Optik eher zweckmäßig denn schön ausgefallen ist.  Wie so oft in der letzten Zeit findet man in der Box keinerlei Sortiereinsatz, dafür aber eine ausreichende Anzahl an Zip-Tüten, um der deutschen Sortierleidenschaft nachkommen zu kommen. 😉

Die Gebäude werden nach ihrer Art sortiert, gemischt und in Stapel auf dem Spielplan bereit gelegt. Die Gondeln werden auf den Aktionsfeldern am Rand des Spielplans platziert und stehen gleich für die Aktionsauswahl bereit. Die Charakterkarten und die Sondergebäude-Karten werden getrennt voneinander gemischt und werden auch bereit gelegt. Die Glassteine sind im Beutel. Jeder Spieler hat ein paar Gondolieri zur Verfügung und los geht’s.

Der aktive Spieler wählt eines der Schiffe und bewegt es gegen den Uhrzeigersinn auf ein freies Feld, ohne dabei ein anderes Schiff zu überholen. Das so erreichte Feld gibt die auszuführende Aktion vor. Viele der Aktionen gibt es mehrfach, so dass es gute Chancen gibt, die Aktion auf diese Art ausführen zu können. Einige der Felder gibt es aber nur einmal, so dass diese nicht immer frei sind. Möchte man also eine Aktion ausführen, die bereits von einem anderen Schiff belegt ist, kann man auch mehrere Schiffe bewegen, wobei das dann mit Münzen bezahlt werden muss. Das erste Schiff bewegt man also kostenlos, das zweite Schiff kostet eine Münze, das dritte Schiff kostet zwei Münzen und so weiter. Man führt allerdings trotzdem nur die Aktion des letzten Schiffs aus, das ist klar. Auf den ersten Blick hat mich diese Art der Aktionsauswahl etwas an das Spiel “Tikal II” erinnert. Auch dort sind die Aktionen rund um das Spielfeld herum angeordnet und man bewegt einen Einbaum oder Kanu (oder sowas) auf dem Fluss, um Aktionsplättchen zu wählen. Auf den ersten Blick ähnlich spielt es sich aber schon ganz anders. Ok, hat der Spieler also die Aktion gewählt, führt er diese Aktion auch aus. Die verfügbaren Aktionen sind schnell erledigt, so dass das Spiel angenehm flott reihum geht. Auch in Vollbesetzung ist die Downtime sehr erträglich, außer natürlich man hat ausgesprochene Grübler in der Runde, was bei uns zum Glück nicht der Fall war. 

Hier ein paar Beispiele, welche Aktionen man denn so ausführen kann:

– Glashütte, Palast, Sondergebäude, Laden kaufen: man gibt die notwendige Menge an Münzen ab und nimmt sich das oberste passende Plättchen und legt es vor sich ab. Beim Laden und auch beim Palast kann man auch mehr Gold bezahlen und nicht einfach das oberste Plättchen nehmen; statt dessen darf man den ganzen Stapel nehmen und sich ein Plättchen aussuchen… das ist eben teurer.

– Bauen (Straße, Glashütte, Laden, Palast, Sondergebäude): Straßen werden direkt aus dem Vorrat gebaut. Die anderen Plättchen muss man zuvor schon gekauft und vor sich ausliegen haben. Je nach Gebäude erhält man schon beim Bau Siegpunkte. Bei Sondergebäuden dagegen erhält man eine der Sondergebäude-Karten, die dem Spieler dann für den Rest des Spiels Vorteile bringen. Man zieht drei Karten und sucht sich davon eine aus. Die Straßen, die man auf den Inseln baut, zeigen teilweise Kunden in drei verschiedenen Farben. In diesen Farben gibt es dann auch verschiedene Läden. Zu den Vorteilen der unterschiedlichen Gebäude schreibe ich nachher noch kurz was.

– Gondoliere einsetzen: mit dieser Aktion kann man Gondoliere neben den Inseln platzieren (die Felder sind der jeweiligen Insel zugeordnet ). Für jede Spielerfarbe gibt es ein passendes Feld. Man kann seine Figur aber auch auf Felder gegnerischer Farben einsetzen, was allerdings wieder etwas teurer ist. Die Gondoliere sind nicht als Arbeiter zu verstehen, wie man es z.B. von Workerplacement-Spielen her kennt. Vielmehr sind sie der Schlüssel, um mit den Charakterkarten später die wertvollen Siegpunkte zu ergattern. Denn um Charakterkarten beim Spielende zu werten, muss man Gondolieri einsetzen.

– Charakter anwerben: um im Spiel richtig viele Punkte zu machen, muss man sich während des Spiels Charakterkarten kaufen. Die erste Karte kostet ein Gold, die zweite kostet zwei Gold und so weiter. Auch hier zieht man drei Karten und sucht sich davon die “Beste” aus. Jede der Charakterkarten bringt bei Spielende (mit Einsatz eines oder manchmal auch zwei Gondolieri) Punkte, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. So bringt beispielsweise eine der Karten Punkte, wenn die Anzahl der Sondergebäude auf der Insel identisch ist mit der Anzahl an grauen Kunden. Eine andere Karte bringt pro Wappen (auf den Palästen) auf der Insel jeweils einen Punkt. Noch eine weitere Karte bringt gestaffelt Punkte für blaue Kunden auf der Insel. Hier gibt es viele verschiedene Bedingungen, die man nutzen kann, um satt Punkte zu generieren.

– Produktion: hier kann man seine Glashütten produzieren lassen. Pro Glashütte, die produzieren soll, muss der Spieler zwei Siegpunkte abgeben (also seine Siegpunktefigur auf der Punkteleiste zwei Felder zurück ziehen). Er darf ein Glasstein aus dem Säckchen ziehen. Anschließend kann der Spieler Glas verkaufen: bis zu drei gleichfarbige Steine, die dann im besten Fall 20 Münzen bringen. Man kann die Glassteine aber auch aufsparen, um sie später zu verkaufen, der um sie für Charakterkarten zu nutzen.

– es gibt noch mehr Aktionsmöglichkeiten, die ich aber nicht alle aufführen möchte.

Sobald zwei der Plättchenarten aufgebraucht sind, wird das Spielende eingeläutet. Jeder Spieler außer dem Spieler, der das letzte Plättchen genommen hatte, darf noch einen Zug ausführen. Anschließend kommt es zur Endwertung, die ein Hauptelement des Spiels ist. Reihum legen die Spieler ihre Charakterkarten offen und werten die erreichten Punkte. Da die Charakterkarten bis zum Schluss vor den Mitspielern geheim gehalten werden, ist das Spiel spannend bis zum Schluss. Ich mag dieses Element der Geheimhaltung bei einem Brettspiel wirklich sehr und auch hier macht es für mich den größten Teil des Spielspaßes aus. Man weiß zwar nicht, was der Mitspieler für Karten gekauft hat, aber man sieht ja, welche Maßnahmen er auf dem Spielplan ergreift und kann so vielleicht erahnen, in welche Richtung es gehen könnte. So also schnell mal eine Straße auf die Insel gebaut, um die Anzahl der Kunden einer bestimmten Farbe zu beeinflussen und plötzlich bricht beim Gegenüber Panik aus, wenn die Bedingung einer seiner wertvollen Charakterkarten nicht mehr erfüllt ist. Das macht definitiv Spaß.

Die ersten Partien haben wir zu zweit absolviert und auch in dieser Mindestbesetzung macht Murano schon sehr viel Spaß. Der Spielverlauf ist flüssig. Die Aktionsauswahl mit den Gondeln rund um das Spielfeld ist gelungen, auch wenn man anfangs vielleicht den Überblick über die verschiedenen Aktionen nicht zu haben. Da ja viele der Aktionen mehrfach vorhanden sind, hat man die verschiedenen Möglichkeiten schnell drin und überlegt sich während der Züge der Mitspieler, was an als nächstes machen will. Ist man dann an der Reihe, checkt man ab, ob eines der passenden Felder für die Aktion frei ist. Ist dies nicht der Fall, kann man immer noch Münzen einsetzen, um andere Schiffe zu bewegen, um die gewünschte Aktion frei zu legen. Wie oben schon erwähnt, ist die Downtime deshalb sehr überschaubar. Spielen nur “Bauchspieler” mit, wie ich es eher bin, dann verläuft das Spiel sogar so flott, dass man in der Wartezeit kaum Zeit hat, ne WC-Pause einzulegen. 😉 Die weiteren Partien liefen meist in Vollbesetzung und auch dort war der Ablauf angenehm leicht, nicht aber oberflächlich. Das einzige Element, was manchmal ein paar Sekunden länger dauern kann, ist der Kauf der Charakterkarten (vielleicht auch die Auswahl einer Sondergebäude -Karte nach dem Bau eines Sondergebäudes). Man zieht ja eben drei Karten und sucht sich dann die Karte aus, die man am besten brauchen kann. Haben die Mitspieler nichts dagegen, kann man ja mit den weiteren Zügen weitermachen, während der Spieler noch auswählt.

An neue Teilnehmer waren die Regeln schnell weiter erklärt. Nach zehn Minuten Erklärung konnten wir meist schon mit der ersten Partie starten, auch das war echt angenehm. Nun ist ja “Murano” eben für seine Glashütten bekannt, doch das kommt hier beim Spiel etwas zu kurz. Klar, es gibt Glashütten, die man produzieren lassen kann… und ja, man kann das Glas dann gegen Goldmünzen teuer verkaufen, um die Münzen dann für andere Sachen einzusetzen, doch irgendwie erscheint mir das Thema mit dem “Glas” doch sehr nebensächlich, vielleicht sogar etwas aufgesetzt. Es ist nicht “DAS” Element des Spiels, was man vielleicht erwarten würde.

Insgesamt gefällt mir “Murano” aber trotzdem sehr gut und auch meinen Mitspielern machten die Partien durchweg Spaß. Es gab keinerlei negativen Rückmeldungen, was schon mal ein gutes Zeichen ist. Für mich kommt es nicht ganz an das eingangs erwähnte tolle “Village” vom selben Autorenpaar heran, doch das Spiel wird bestimmt noch öfters auf unserem Spieltisch landen, das ist schon sicher.

Fazit: netter Aktionsauswahlsmechanismus, tolle Wertungsmöglichkeit der Charakterkarten (bis zum Schluss geheim), insgesamt ein sehr rundes Spielgefühl, auch für geübte Familiengruppen empfehlenswert.

(c)2014 Dirk Trefzger

Material

Regeln

Idee

Spielreiz

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