Rezension “Die Kolonisten”

Die Kolonisten (Lookout)

Schaut man sich die dicke Box von “Die Kolonisten” an, dann weiß man schon, das Spiel könnte ein Schwergewicht sein… und ja, es ist spielerisch und materialmäßig ein wirkliches Schwergewicht. Fangen wir mit dem Material an. Die Box ist prall gefüllt mit Material, Stanzbögen ohne Ende. Ich hatte sie sogar gewogen, bin mir aber nicht mehr ganz sicher, wie schwer sie insgesamt war. Ich glaube es waren ca. 3 kg, bevor die leeren Stanzbögen dann entsorgt wurden. HAMMER.

Das Material besteht im wesentlichen aus Kartonplättchen und ein paar Figuren aus Holz. Es gibt 62 kleine Hexagons als Orte, 202 Gebäude (kleine rechteckige Plättchen), 72 Botschaften, verschiedene Speichererweiterungen (nein, kein RAM), Lagerstätten, Marktplättchen, diverse Marker für die Rohstoffe (Holz, Lehm, Bretter, etc…), Werkzeuge, Taler… dann gibt es ein Set Spielkarten (140 Anschaffungen, 28 Marktkarten, 4 Bilanzkarten, 4 Epochenkarten, Rundenkarte, 3 Übersichtskarten). Dann gibt es für jeden Spieler einen Gemeindeplan (persönliche Ablage). Für die verschiedenen Kolonien (die ja immerhin dem Spiel den Namen geben) gibt es Tableaus, auf denen die Details der Kolonien beschrieben sind. Ein Wertungsblock zum Ermitteln der Gesamtpunktzahl ist auch noch vorhanden. Die Spielanleitung umfasst 24 Seiten. Dazu gibt es einen Anhang, der weitere wichtige Details enthält, was nochmals 12 Seiten sind. Was ich fast vergessen hätte: eine Tüte voller Holzfiguren: Verwalter, Kolonisten, Alchemist, Altruist, Lohnarbeiter und ein Rundenzähler. Ok, das liest sich jetzt noch recht übersichtlich, doch es ist wirklich sehr viel Material. 

Die Spieldauer ist als Bandbreite angegeben, da man entscheiden kann, wie viele Zeitalter, bzw. Epochen, man spielen möchte. Davon gibt es insgesamt 5, die aufeinander aufbauen. Man kann beispielsweise auch schon nach 2 Epochen beenden. Spielt man die vollen 5 Epochen, dann wird es mit den angegebenen 4 h fast schon knapp. Wir haben zu zweit für die vollen Zeitalter ca. 5,5 h gebraucht. Meine Schmerzgrenze, was die Spieldauer angeht, liegt so bei 3 h. Was darüber liegt, wird mir oft zu anstrengend. Bei “Die Kolonisten” muss ich allerdings sagen, dass mir jede Partie sehr viel Spaß gemacht hat, auch wenn es teilweise deutlich über die genannten 3 h hinaus ging. Das ist doch schon mal eine sehr gute Erkenntnis. 🙂

Wir haben das Spiel in unterschiedlicher Besetzung gespielt. Uneingeschränkt empfehlen würde ich es für zwei Personen, da dann die Wartezeit zwischen den Zügen nicht so lange ausfällt. Bei Vollbesetzung kann die Downtime dann doch recht umfangreich ausfallen, was das Spielen dann etwas mühsam macht. Zu dritt ist es noch ok, aber zu zweit ist es einfach der Hammer. Es ist ein schönes umfangreiches Aufbauspiel, in dem man sich so richtig austoben kann. Zwar ist der Einstieg wegen des umfangreichen Regelwerks nicht so einfach, man muss sich anfangs vielleicht etwas hinein kämpfen, aber das lohnt sich auf jeden Fall.

Was man berücksichtigen muss ist, dass die Interaktion sehr gering ausfällt. Sie beschränkt sich quasi auf die Aktionsauswahl auf dem Spielplan. Welches Feld ist schon besetzt?… wo muss ich deshalb Abgaben zahlen?… benötige ich die Aktion dieses Feldes unbedingt?… wenn man also ein Spiel mit viel Interaktion sucht, dann sollte man auf jeden Fall die Finger von “Die Kolonisten” lassen. Sucht man dagegen ein komplexes und umfangreiches Aufbauspiel, dann sollte man sich das Spiel unbedingt mal anschauen. Der Preis ist jetzt nicht gerade günstig, vielleicht sollte man es irgendwo testen, bevor man sich für den Kauf entscheidet.

Was sich in den verschiedenen Partien gezeigt hat ist, dass die Spieler – trotz der Komplexität – recht schnell im Ablauf drin waren. Hat man das Grundsystem erst einmal kapiert, dann läuft es recht smooth. Klar, die vielen verschiedenen Gebäudefunktionen überfordern vielleicht immer noch ein wenig und man macht sicherlich den einen oder anderen Anfängerfehler, aber trotzdem kann man schon gut mitspielen.

Man kann es auch Solitär spielen. Ab und zu spiele ich Abenteuerspiele solitär, doch solche Aufbauspiele reizen mich solitär nicht wirklich, deshalb kann ich dazu nicht viel sagen. Ich habe es zwar ausprobiert und es war auch ganz ok. Reizvoller finde ich es aber auf jeden Fall zu zweit. Da liegen Spieldauer, Spielreiz, Downtime, etc. genau auf meinem Level.

Was man auch nicht verschweigen sollte: das Management des Material ist sehr aufwändig. Ich verwende zur Verwaltung der ganzen Gebäudeplättchen zwei Kleinteileboxen. Nur so lässt sich die Materialflut im Griff behalten. Wo z.B. bei “Ein Fest für Odin” sogar eine Sortierbox für die Plättchen enthalten ist, gibt es hier nur Zip-Tüten. Zum Verstauen ist das ganz ok, aber für Verwaltung des Materials während des Spiels muss man sich Hilfsmittel besorgen. Ganz praktisch ist auch ein großer Tisch. Bei mehr als zwei Spielern war unser Tisch definitiv voll. 🙂

Fazit: sehr umfangreiches und sehr komplexes Aufbauspiel, einfacher Mechanismus aber viele Möglichkeiten… für zwei Spieler Kaufempfehlung, für drei Spieler immer noch gut, für vier Spieler etwas mühsam.

(c)2017 Dirk Trefzger

Material

Regeln

Idee

Spielreiz

Wir danken Lookout Spiele für die Zusendung eines Rezensionsexemplares!

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